Mondpoesie

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Moon
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Mondpoesie

Beitrag von Moon »

*sfz* Auf ein neues, mit alten Geschichten ^_^
Irgendwie schreib ich momentan zu wenig, um wirklich "neues" Bereit zu halten.

Und wir tanzten...

Sanft funkelte der Mond auf die verschneite Landschaft. Der Schnee dämpfte all die Geräusche, die im Sommer vielleicht zu hören gewesen wären. Nichts verriet, dass es hier vor Leben strotzen konnte. Sanft fiel der Schnee weiter auf die Landschaft. Doch da waren auch Spuren zu entdecken, schon wieder halb verdeckt von einer neuen Schicht. Folgte man den Spuren, so kam man schon bald an einem Waldrand, und weiter hindurch, bis man auf eine Lichtung traf.
Mit flatternden Tüchern bekleidet war sie die Frau mit der blassen Haut und dem seidenen, dunklem Haar. Einen stummen Tanz, zu einer nicht hörbaren Melodie tanzte sie in den Schnee, gemeinsam mit dem Mann. Kein Wort wurde getauscht, absolute Stille herrschte. Kaum das Scharren der nackten Füße im Schnee war zu hören. Mit den Blicken hielten die beiden aneinander fest, in jeder Drehung, in jeder Sekunde. Nicht oft war es, dass die beiden sich berührten, doch wann immer sie dies taten, merkte man die innige Verbundenheit, die zwischen ihnen herrschte.
Sanft, beinahe lächelnd leuchtete der Mond zu ihnen hinunter und spiegelt sich in ihren Haaren wider. Ruhig fielen die Flocken um die beiden Tanzenden hinunter. Beinahe schwebend, übermenschlich konnte man die beiden bezeichnen, deren Schritte kaum den Boden zu berühren schienen. Lange tanzen sie so, zu keiner Melodie, doch mit wunderbar miteinander harmonierenden Bewegungen, als hätte sie diesen Tanz schon lange einstudiert, doch gleichzeitig merkte man, wie spontan die Bewegungen doch waren.
Die letzte Berührung dauerte ewig. Sie nahmen sich in die Arme, und behinderten sich doch gleichzeitig nicht an der fortwährenden Bewegung. Langsamer wurde der Tanz, ganz unmerklich langsamer, bis die Bewegung fließend aufhörte. Nun standen sie beide dort im Schnee, in inniger Umarmung, doch obwohl der Tanz zu Ende war, bewegten sie beide sich noch immer weiter, strichen sich über die Körper, küssten und streichelten sich in aller Stille.
Gemeinsam sanken die beiden Gestalten in den Schnee, wobei ihre fließenden Bewegungen noch immer anhielten.
Sanft dunkelte der Mond auf den verschneiten Wald. Es ware keine Geräusche zu hören, die man vielleicht erwartet hätte. Und der Schnee rieselte in lockeren Flocken hinunter, auf die weiße Landschaft.

Und wir tanzten im Schnee vergangenes Jahr
Der Mond funkelte sanft in Deinem Haar
Und es tut auch kaum mehr weh
Wenn ich alles vor mir seh
Als ob's gestern war und nicht vergangenes Jahr
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Katicro
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Re: Mondpoesie

Beitrag von Katicro »

Das Lied ist toll.
Und deine Geschichte dazu ist toller. Gefällt mir sehr gut, vor allem weil ich das Lied sehr sehr mag. :) Hast du gut gemacht!
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Corucz
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Re: Mondpoesie

Beitrag von Corucz »

Wunderschön. Das Lied sowie deine Geschichte dazu. Gefällt mir ausgesprochen gut!
Keiner bescheidet sich gern mit dem Teile, der ihm gebühret,
Und so habt ihr den Stoff immer und ewig zum Krieg.
- Goethe
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Yesuke
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Re: Mondpoesie

Beitrag von Yesuke »

Es ist sogar ein Limerick, glaube ich.
Die sind cool :D @lied
The water is pulling me near...
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Moon
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Re: Mondpoesie

Beitrag von Moon »

Dankeschön für das Lob. Ich finde es immer toll gesagt zu bekommen, das den Leuten gefällt, was ich da schreibe. ^_^' Oder das es überhaupt wer ließt

...

Es gibt Worte, die nicht leicht zu sagen sind. Manchmal sehr ehrliche Worte. Worte, die einen Menschen verletzen können. Worte, die einen in der Seele schmeicheln, vielleicht. Aber auch solche, die man sich nicht traut auszusprechen. Das ist die Art von Worten, mit denen man seine eigenen Gefühle offenbart und seine Seele entblößt. Das sind die schwierigsten Worte, die man sagen könnte.

Wenn man von der Liebe spricht hat man eine solche Situation. Schließlich ist es alles andere als einfach jemanden – oder aber auch sich selbst – einzugestehen, was man für eine Person empfindet. Stellt euch das nur einmal vor!
Ihr kennt eine Person, schon seit mehreren Jahren vielleicht. Aber nicht so richtig. Innerhalb eines vollen Jahres habt ihr euch gerade zwei mal gesehen. Zwei Treffen im Zeitraum von zwölf Monaten. Zwei Treffen, in denen du deiner Gefühle nicht so ganz klar geworden bist. Du willst zurück. Zurück zu dieser Person, am liebsten jetzt auf der Stelle! Für immer? Für so lange, wie es dir nur irgendwie möglich ist.
Was bleibt übrig? Nur die Sehnsucht ist da, jede Sekunde an jedem Tag. Sanft köchelt sie unter der Oberfläche. Du bemerkst sie kaum, weil du vom Stress geplagt bist- Aber wenn du den Namen dieser Person im Telefonbuch liest, wenn dein Blick auch nur ganz kurz über diese ganz bestimmte Kombination aus Buchstaben fliegt, dann kocht diese Sehnsucht wieder hoch, und sei es nur für einen Augenblick. Und du willst die Person ansprechen, willst mit ihr reden, irgendwelche Belanglosigkeiten austauschen. Aber du traust dich nicht. Einfach weil du die Person nicht stören willst. Für nichts und wieder nichts. Deswegen lässt du die Sehnsucht einfach weiter kochen, bis du sie schon kaum noch bemerkst.
Ist es wirklich so schwer sich selbst diese Gefühle einzugestehen? Man will keine Freundschaften zerstören. Nicht auf diese Weise. Das wären die falschen Worte. Gibt es für diese Situation die richtigen Worte? Ganz sicher keine, die leicht zu sagen sind!
Einfach nur zurück zu dieser Person. Bitte, noch einmal an die Schulter lehnen. Wie zuletzt am Bahnhof, als du müde warst.
Augen zu. Mehr als erinnern kannst du dich im Moment nicht.
Genieße es!

PS: Ich liebe dich.
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Katicro
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Re: Mondpoesie

Beitrag von Katicro »

Wow :O Genial! Ich mag Kurzgeschichten, in denen man als Leser selbst angesprochen wird. Vor allem, wenn man eine ungefähre Ahnung hat, wie sich sowas anfühlt. Genial :)
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Corucz
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Re: Mondpoesie

Beitrag von Corucz »

Kan mich meiner Vorrednerin voll und ganz anschließen. Tolle Kurzgeschichte!
Keiner bescheidet sich gern mit dem Teile, der ihm gebühret,
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Moon
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Re: Mondpoesie

Beitrag von Moon »

weil meine Lieblingsgeschichte gerade so schön passt...
Krebs
Fröhlich sah das kleine Mädchen zu ihrem Vater hinüber und umarmte ihn ganz fest, obwohl sie glaubte, ihn dabei zu erdrücken. Das war egal. Endlich war Wochenende, endlich war er einmal da um mit ihnen Spaß zu haben. Sie war Glücklich und drückte ihm zugleich einen ganz ganz festen Kuss auf die Wange. Heute war ein toller Tag. Ihr Vater drückte sie lachend auch an sich. Sie war sich sicher. Diese Welt war perfekt. Nichts würde sie zusammenbrechen lassen. Leid, Pech, Schmerz... das gab es nicht. Nicht hier, in der Wunderbaren Welt, in der sie lebte. In ihren Haus. Zusammen mit ihrem Bruder, ihrer Mutter ihrem Vater. Dem Hund. Sie löste sich von ihrem Vater und flitzte schnell auf die andere Seite des Tisches.

Es gibt heute kaum noch Dinge, an die sie sich nach all den Jahren erinnert. Ihr Gedächtnis ist nicht das beste, und irgendwie ist einfach viel zu viel Zeit vergangen. Aber sie weiß, dass damals eine schöne Zeit war. Eine Glückliche Zeit, zweifelsohne. Eine Zeit, in der man – besonders sie – nicht hätte denken können, dass irgendetwas sich ändern würde. Das sie größer werden würde. Das sie noch Geschwister bekommen würde, zumindest ist sie sich sicher, dass damals die anderen beiden noch nicht auf der Welt gewesen war.
Dann mussten sie umziehen. Von dem kleinen Paradies in Bayern, das bis dahin ihr einziges Zuhause gewesen war, mussten sie weg, weil ihr Vater eine Arbeit in Frankfurt gefunden hatte. Ein Jahr lang war er immer nur an den Wochenenden daheim gewesen und unter der Woche in einer kleinen Wohnung in der Stadt. Hin und wieder war die Familie in den Ferien bei ihm gewesen, hatte sich die Stadt angesehen. Nun wollten sie zu ihm ziehen. Der Mutter gefiel es nicht, nur noch eine „Wochenend-beziehung“ zu haben. Das Mädchen entschloss sich, in den Herbstferien eine Woche zusammen mit ihr nach Frankfurt zu fahren, und sich Häuser anzusehen, in die sie vielleicht ziehen würden. Nachts blieben sie in der kleinen Wohnung bei ihrem Vater, und Tagsüber, wenn er arbeitete, fuhren sie durch die Gegend, suchten Häuser, die für die Familie in Frage kam. Das war eine Beschäftigung, die eine ganze Woche in Anspruch nahm. Aber es war eine schöne Woche. Da sie drei Geschwister hatte, war das Mädchen es normalerweise nicht gewohnt, ihre beiden Eltern ganz für sich allein zu haben. Sie fand es wunderbar. Schön. Unbeschreiblich, wenn man mal alleine mit ihnen war. An einem Abend beschlossen die drei zusammen ins Kino zu gehen. Sie hat inzwischen keine Ahnung mehr, was für einen Film sie sich angesehen haben, aber sie erinnert sich noch ganz genau daran, wie es war, als sie über den Main gefahren sind. Es war schon dunkel, und man konnte wunderbar die leuchtende Stadt sehen. Da sie auf dem Land aufgewachsen war, mochte sie Städte nicht sonderlich gerne, doch bei diesem Anblick stockte ihr Atem.

Umgezogen waren sie nun. Das aller erste Haus, dass sie sich angesehen hatten, war es geworden. Im Grunde war es hier schön. Die Schule, in die sie nun ging war toll. In Bayern hätte sie wahrscheinlich dieses Jahr auf die Realschule – oder noch schlimmer, auf das G8 wechseln müssen- aber in Mainz schaffte sie es, ihre Noten zu verbessern, da dort der Stoff leichter zu verstehen war, und man noch nicht ganz so weit vorangeschritten war.
Die erschreckende Nachricht kam ca. ein Jahr nach dem Umzug. Ca schreibe ich hier, weil sie sich nicht mehr genau an die Zeit erinnert. Des öfteren hatte ihr Vater sich nun schon über Magenbeschwerden beschwert. Er war zu Ärzten gegangen, und die meinten, dass es wohl irgendetwas an seiner Leber war, das die Beschwerden verursachte. Er hatte sich untersuchen lassen, wieder und wieder. Irgendetwas würde schon sein. Nichts war gefunden worden.
„Ich muss mal mit dir reden“ Das Mädchen sah vom Bildschirm auf zu ihrer Mutter, die einen relativ ernsten Gesichtsausdruck machte. Was war los? Verwirrt stand sie auf und folgte ihrer Mutter in die Küche. Hatte sie irgendwas falsch gemacht? Das kam des öfteren vor, und meistens sah ihre Mutter sie dann auch so an. Aber sonst sagte sie ihr das offen ins Gesicht, und brachte sie dafür nicht in die Küche, weg von den anderen.
„Er hat Krebs.“ Einige Sekunden wusste sie nicht so genau, was sie sagen sollte, was sie von dieser Information halten sollte. „Magenkrebs“ Tränen stiegen in ihren Augen hoch. Krebs war es also? Man hatte ihn operieren lassen, weil irgendetwas mit seinem Magenausgang nicht gestimmt hatte, das wusste sie.
Nun erfuhr sie, dass man bei dieser Operation herausgefunden hatte, dass er Krebs hatte. Krebs.
Tränen stiegen in ihr auf. Krebs war keine schöne Krankheit. Sie wusste kaum etwas darüber, nur dass sie in den meisten Fällen tödlich war. Nein, das war keine Information, die sie unbedingt gebraucht hatte.

Natürlich glaubten sie alle fest daran, dass er die Krankheit irgendwie besiegen würde. Alles andere war nicht gut. Und anfänglich, nach den ersten Chemoterapien sah er wirklich gut aus. Die Medikamente schlugen gut an, glaubten sie. Und es hieß auch, dass der Krebs nicht weiter wuchs. Es würde alles gut werden, alles.

Wegen der Schmerzen war er irgendwann in eine andere Station verlegt worden. Ein Jahr lang hatte er sich nun mit der Krankheit auseinander gesetzt. Ein Jahr. Anfangs hatte er sogar noch arbeiten können. Hin und wieder war er im Krankenhaus gewesen, größtenteils wegen den Therapien, aber sonst war er zuhause gewesen. Die Kinder hatten gelernt, damit umzugehen, dass man vorsichtig mit ihm umgehen musste, wenn es ihm nicht gut ging.
Es gibt da noch eine Erinnerung in ihrem Kopf. Sie waren Einkaufen gefahren, zu zweit. Sie und ihr Vater. Er hatte inzwischen einen Behindertenausweis bekommen. Mit dem Auto waren sie gefahren, und er hatte es auf einen der Behindertenparkplätze abgestellt. Sie hatten sich einen Einkaufswagen genommen. Anfänglich war er ganz normal. Man konnte mit ihm zusammensein, reden, lachen. Er verhielt sich wie normal. Nur irgendwann, nach vielleicht einer dreiviertel Stunde bemerkte sie, dass es ihm zunehmend schwerer fiel, zu stehen und zu gehen.
Man merkte das es ihm nicht mehr gut ging und es tat ihr weh, das mit anzusehen.
Irgendwann blieb er dann im Krankenhaus. Es ging ihm zunehmend schlechter. Januar war es geworden. Inzwischen war auch ihre Mutter im Krankenhaus, um ihrem Mann beizustehen.
Sie stand in der Tür zu seinem Zimmer, war unfähig sich zu bewegen. Aber dennoch war ihr Blick auf ihren Vater geheftet, der dort im Bett lang und sich kaum bewegte. War er wach? Sie konnte es nicht sagen. Irgendwann nahm einer der Krankenpfleger vorsichtig ihre Hand und setzte sie auf die eine Seite des Bettes ihres Vaters. Nahm seine Hand und legte diese in die Ihre. Sie hatte Angst davor ihn anzufassen, obwohl sie nicht wusste warum. Aber nun saß sie hier, seine Hand in der ihren, und konnte die Tränen nur noch schwerlich zurückhalten.
Wieso hatte es so kommen müssen.?
Der Tod findet einfach nicht statt,
So, als ob man ihn niemals unter uns gesehen hat.
Wir leben dämlich, fett und froh;
Gestorben wird nicht hier, man stirbt nur anderswo.

Ein seltsamer Liedtext, und gleichzeitig so Passend. Sie wusste nicht, wie lange sie dort an seinem Bett saß, seine Hand hielt und sich hin und wieder die Tränen vom Gesicht wischte. Irgendwann hieß es dann, dass sie gehen würden. Es war schon spät. Theoretisch war morgen Schule. Wollte sie überhaupt dorthin? Sie wollte doch nicht einmal seine Hand loslassen. Hin und wieder hatte er sie gedrückt. Ganz sanft. Ohne Kraft. Aber er hatte gespürt dass sie dort saß, dass sie hier war, bei ihm. Als sie im Auto saß, betrachtete sie ihre Andere Hand. In der hatte sie ihren Ring gehalten und hin und wieder ganz fest geknetet. Jetzt konnte man dort teilweise die abdrücke erkennen. Aber den Schmerz in der Hand spürte sie kaum.
Am nächsten Tag ging sie nicht in die Schule. Ihre Mutter schrieb eine Entschuldigung für sie. Es war schwer für sie alle.
Am nächsten Tag hatte ihr Bruder, der große, Geburtstag. Sie beschloss nach der Schule kurz ins Krankenhaus zu fahren, und von dort aus erst nach Hause. Sie traf ihre Mutter in seinem Zimmer. Etwas anderes hatte sie nicht erwartet. Es war eine Komisches Gefühl wieder hier zu sein. Eigentlich hatte sie sich nach dem letztem Besuch geschworen nicht noch einmal herzukommen. Doch dieses mal wusste sie in etwa, was sie erwarten würde. Diesmal war es nicht ganz so schlimm.
Doch für immer würde wohl sein schwerer Atem auf ihren Ohren lasten. Noch heute hörte sie ich manchmal in der Nacht, wenn sie alleine war. Hätte sie bei diesem kurzem Treffen gedacht, dass es das letzte mal sein würde, dass sie ihn sah? Hätte sie gedacht, dass sie am nächsten morgen, ganz früh ihre Mutter in der Küche vorfinden würde, auf der Theke sitzend und das Gesicht in die Hände vergraben? Ohne das ein Wort gesprochen wurde, hatte sie gewusst, was geschehen war.

Anhang:
nobody (08:21 PM) :
Und : Krebspatienten sterben immer erst dann, wenn sie zufrieden sind. das ist wirklich so! Rainer hat noch so lange gekämpft, bis er endlich seine Mutter nochmal "gesehen" hat, wenn man das sagen kann, er war fast nie wach.
Mein Großonkel hat gewartet, bis alle in gehen ließen.
Meine Uroma, die unbedingt 90 werden wollte, is in der Nacht vor ihrem Geburtstag fast gestorben, aber sie hat noch so lange weitergelebt, bis sie 90 war.
Bines Opa ist erst gestorben, als er zufrieden im Hospiz war und hat allen am Abned zuvor noch gesagt, dass es ihm sehr gut geht da.
Dein Vater muss zu dem Zeitpunkt glücklich gewesen sein, denke ich =) Vergiss das nicht!
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Moon
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Re: Mondpoesie

Beitrag von Moon »

Happy End?
In einer Ecke, da hockte der Kleine. Schon lange war kein Schein mehr in seinen orangeroten Augen zu sehen gewesen. Selbst das einst so prächtige Fell hatte seinen Glanz verloren. Es war verstrubbelt und hing lasch an seinem ausgemagertem Körper hinunter. Celiop fror ganz erbärmlich in seiner Ecke, doch die letzte Decke hatte er aus versehen verbrannt. Darauf hatten die Großen beschlossen ihm keine mehr zu geben. Aber es war doch so kalt hier drinnen. In der aus Stein gefliesten Ecke, in die kein Licht fiel Selbst wenn das Feuer im Kamin brannte, war es kalt hier. Aber nun brannte es nicht. Celiop schloss die Augen und dachte an die Tage, die vielleicht besser gewesen waren.
Damals hatte dieses große Haus hier noch jemandem anderem gehört. Zu gerne erinnerte er Celiop sich an die Große, mit ihrer schnurrenden Stimme und den warmen Händen. Celiop war gerne zu ihr ins Bett gekrochen und ihren Bauch gewärmt. Um sie dann am nächsten Morgen mit einer nassen Schnauze zu wecken. Und an kalten Tagen, wenn draußen das Weiße vom Himmel fiel, dann hatten sie sich vor den Kamin gesetzt, den Celiop angezündet hatte und die Alte hatte Geschichten erzählt. Und dann hatte sie nicht mehr darauf reagiert, wenn Celiop sie hatte aufwecken wollen. Sie war kalt geworden, ganz arg kalt. Und Celiop hatte versucht sie zu wärmen. Selbst das Feuer, dass er aus lauter Hilflosigkeit angezündet hatte, hatte nicht geholfen. Im Gegenteil. Mit einem Mal hatten ganz viele Leute das Haus betreten und das Feuer wieder ausgemacht. Und sie hatten ihn einfach zur Seite gesetzt, als er versucht hatte, sie von der Alten fernzuhalten. Seitdem hatte der Große zwar Brandnarben an den Händen, doch geholfen hatte es Celiop nichts. So war er dann hinter ihnen hergerannt, als sie die Alte weggetragen hatten. Und schließlich hatten sie sie nach einigen Tagen in ein Loch gelegt, und Erde auf die drauf geschüttet.
„DAS KÖNNT IHR DOCH NICHT MACHEN!“, hatte Celiop sie angeschrieen, doch sie hatten nicht zugehört. Celiop war zu dem Erdhaufen hin, als alle weg waren, und hatte versucht, sie wieder frei zugraben, bis jemand gekommen war und ihn weggezogen hatte. Zwar hatte er es geschafft, sich wieder los zureißen, doch ein schwerer Stein war auf die Erde gelegt worden, so dass er nicht mehr versuchten konnte, sie wieder auszugraben. Nächtelang bliebt er auf dem Stein, der so bitterkalt gewesen war, wie seine Ecke das nun war. Doch er hatte nicht weg wollen, hatte sich und den Stein mit seinem Feuer gewärmt. Celiop hatte geweint und gejammert und die Großen verflucht. Aber nichts hatte genutzt und nichts hatte dafür gesorgt, dass man den Stein wegnahm und die Alte wieder rausholte und sie weckte und aufwärmte. Ihr musste doch viel, viel kälter sein als Celiop, da unten mit der ganzen Erde über dem Körper. Ein Schleier aus grauem Nebel hatte sich über seinen Blick und sein Gedächtnis gelegt.
Er war in dem bekannten Haus wieder aufgewacht mit fremden Gerüchen in der Nase und fremden Stimmen in den Ohren. Mit einem mal war nichts mehr so gewesen, wie früher: Er wurde aus dem Bett geworfen, wenn er sich dazukuscheln wollte, wurde angeschrieen, wenn er morgens versuchte die Großen freundlich zu wecken. Er wurde lange Zeit allein gelassen mit sich selbst und der Kälte, die sich im Haus weiter ausbreitete.
Celiop war von den Großen, die nun hier wohnten vergessen worden. Nur wenn sie einmal ein Feuer brauchten, dann wurde er aus seiner Ecke geholt. Und nur selten war es der Fall, dass er sich vor den Kamin legen und dösen durfte. Inzwischen wurde er praktisch gar nicht mehr gebraucht. Die Großen waren so selten da, dass sie sich auch in ihren Betten wärmen konnten.
Celiop blinzelte. Da war ein kalter Windstoß in sein Fell gefahren und ließ ihn noch mehr zittern. Müde hob er die Schnauze und sah sich um, Niemand war da, und doch zog es ganz fürchterlich. Das kleine Geschöpf rappelte sich auf die Beine um zu sehen, was da los war. Irgendein Fenster schien offen zu stehen Celiop setzte sich vor die Wand und sah mit schiefgelegtem Kopf nach oben. Obwohl er wusste, dass es ihm verboten war, spannte er die Hinterläufe an und sprang auf die Fensterbank. Es zeigte ihm, dass er nicht ganz so fitt war wie früher, als er es beinahe nicht erreichte. Mit den Krallen hielt er sich am Holz fest und zog sich nach oben. Das würde Konsequenzen geben, war ihm klar, als er die Krallen wieder aus dem Holz zog und die Kerben darin betrachtete. Sein Blick wanderte von dort kurz in das ihm inzwischen fremd gewordene Zimmer. Ein weiterer Windstoß aus dem offenem Fenster zog jedoch Celiops ungeteilte Aufmerksamkeit an die Welt draußen auf sich. Er hatte das Haus nie wirklich verlassen, immer nur drinnen gewesen. Das weiße Zeug, das jetzt den Boden bedeckte war ihm fremd. Er hatte es immer nur von innen gesehen, schläfrig eingerollt vor dem warmen Kamin und auf die Stimme der Alten lauschend.
Jetzt, wo er vor dem Fenster saß, spürte er die klirrende Kälte, die wohl vom Weißem ausging. Ganz flach legte er sich auf den Bauch und kroch nach vorne, bis er die Schnauze aus dem oberem Fenster halten konnte. Es roch komisch. Konnte etwas kalt riechen? Aber obwohl es da draußen so kalt war, zog es ihn irgendwie an. Er sah sich nicht noch einmal um, sondern stemmte sich wieder auf die Füße, nahm maß und sprang.
Er hatte sich verschätzt. Nein, nicht wirklich. Der Boden gab nach! Er fiel einfach durch, verlor sein Gleichgewicht, purzelte, bis es endlich vorbei war. Celiop stemmte sich wieder auf die Pfoten und schüttelte das weiße Zeug aus dem Fell. Sein Blick wanderte die weiße Wand vor sich nach oben, wo er den Himmel sehen konnte. Ganz weit über sich., durch das loch, das er wohl verursacht hatte. Wie sollte er denn da nach oben kommen? Er tastete mit der Pfote nach der Wand vor sich, die ein wenig nachgab. Neugierig stupste er mit der Schnauze in das Weiße und zuckte zurück. Verdammt, war das kalt! Er dachte nach. Und begann damit, sich durch das Weiße zu wühlen. Irgendwie klappte das sogar, sodass er sich einen Tunnel bauen konnte. Hin und wieder brach dieser zwar hinter und über ihm ein, doch er schaffte es immer, sich wieder frei zu wühlen und weiter zu graben. Welch ein Glück, dass das weiße Zeug so locker aufeinander lag. Zwar war es hier unten kalt und nass, doch war ihm lange nicht so kalt, wie im Haus. Hier grub er, und bewegte sich, und hatte etwas zu tun. Etwas, dass ihm sogar SPAß machte. Aber irgendwann war er durch.
Der Kopf mit dem nass angeklebtem Fell stieß durch das weiße Zeug und sah nach draußen. Ein ganz kleine Funkeln war in seinen Augen zu sehen, während er den Körper ebenfalls aus dem weißem Zeug befreite und sich schüttelte, um den Rest aus dem Fell zu bekommen.
Von hier aus konnte er sein Haus nicht mehr sehen, dafür ganz, ganz viele Bäume, die anscheinend dafür sorgten, dass das Weiße nicht bis hier runter kam. Noch einmal schüttelte er sich, ein paar kleine Flammen schmolzen den endgültigen Rest das weißen Zeugs aus seinem Fell, dann setzte er sich in Bewegung, weiter in den Wald hinein.

Langsam kam die Erschöpfung wieder, ihm war klar, dass er Hunger hatte. Aber zurück? Nein. Ganz, ganz sicher würde er nicht wieder zurückgehen. Hier war es so viel interessanter! Celiop tappte weiter und weiter, doch bald schon konnte er das Knurren seines Magens nicht mehr ignorieren. Er sah sich um, doch keine Schüssel mit Futter stand bereit und wartete darauf, dass er seine Nase hineinsteckte. Beleidigt setzte Celiop sich auf die Hinterpfoten und begann damit, seine Umwelt zu verfluchen. Nie konnte sie ihm etwas gutes tun. Gemein war das, so total gemein!
Aber auch das half dem Kleinen nicht weiter, so hörte er irgendwann auf damit, kauerte sich hin und wimmerte leise. Als dann auch noch die Sonne verschwand, wurde es bitterkalt um ihn herum. Und das Feuer kam auch nicht, um ihn zu wärmen. So lag Celiop zitternd und wimmernd auf dem Waldboden und wusste nicht mehr weiter. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass es hier nicht völlig dunkel war. Direkt vor sich hatte er einen warmen Lichtschein bemerkt.
Erneut schaffte Celiop es, sich auf die Pfoten zu rappeln. Langsam tappte er weiter nach vorne, auf das Licht zu. Ein Haus war es. Aus dem Fenster flackerte der Schein eines großen Feuers. Zum springen hatte er zwar keine Kraft mehr, doch schaffte er es, sich an den Holzwänden hochzuziehen und auf die Äußere Fensterbank zu klettern. Oh, wie sah es dort drinnen gemütlich aus! Beinahe erinnerte ihn der Raum, den er sah an das Schlafzimmer der Alten, nur war es hier ... viel voller und... total gemütlich. Am liebsten wäre er dort hineingehüpft, hätte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und geschlafen. Aber die Scheibe hinderte ihn daran. Unglücklich kratzte Celiop an ihr, bevor er aufgab und sich ganz eng daran kuschelte, um wenigstens ein bisschen was von der Wärme abzubekommen.
Im Halbschlaf nur bemerkte er wie die Tür des Hauses sich öffnete und ein Schatten über ihn fiel. Vor Kälte und Hunger störte es ihn gar nicht, dass zwei Hände ihn packten und weghoben. Wahrscheinlich würden sie ihn wieder in seine kalte Ecke bringen. Dort gab es wenigstens etwas zu essen.
Es wurde warm, und jemand legte ihn auf etwas weichem ab, in das er sich ganz fest kuschelte, bevor er entgültig einschlief.

Ein leckerer Geruch weckte ihn wieder auf. Verschlafen hob er den Kopf und sah sich um, Wo zur Hölle war er denn hier gelandet? Das sah so aus, wie das Zimmer von gestern Nacht. Er hob den Kopf ein bisschen mehr und sah jemanden an einem Tisch sitzen. Der Rücken war ihm zugewandt, sodass er nicht sehen konnte, was der Große dort tat. Celiop rappelte sich auf und sprang leise vom Sofa herunter. Es roch hier so wunderbar nach etwas zu Essen! Beinahe konnte er seinen Magen wieder knurren hören. Der Kleine trippelte unter dem Tisch hindurch. Auf der anderen Seite nahm er Maß und sprang nach oben. Die Große schien überrascht zu sein, Celiop auf dem Tisch zu sehen. Einige Sekunden lang war er sicher, die Große würde sauer werden und ihn wieder wegjagen. Er machte sich ganz klein und ging einige Schritte zurück, sodass er beinahe wieder von der Kante hinuntergepurzelt wäre. Da sah er ein Lächeln im Gesicht der Großen und entspannte sich wieder ein wenig.
„Na, bist du was Kleines?“, fragte die Große mit sanfter Stimme und schob Celiop eine Schüssel mit wunderbar duftendem Inhalt hin. Die Große im Blick behaltend, schlich er auf die Schüssel zu und schnupperte. Die Große schien keine Astalten zu machen, ihm die Schüssel wieder zu entziehen, weswegen er vorsichtig die Schnauze hineinsteckte und probierte. Er vergaß seinen Argwohn und die Große und überhaupt alles um zu herum, so Gut schmeckte das. Er schleckte das was für ihm zu Essen war. Mit einem Ohr hörte er die Große lachen und selbst wieder zu essen beginnen.
Ja, beschloss Celiop, hier würde es sich leben lassen.

~~
Ich habe mir den kleinen als eine Art... Katze vorgestellt, die halt Feuer beherrschen kann. Und süß und flauschig ist xD
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Re: Mondpoesie

Beitrag von Moon »

Narbengewebe
Mal ganz ehrlich, du bist nicht normal, oder?
Nein, definitiv nicht. Eigentlich scheinst du normal zu sein. Nach außen hin. Keiner deiner Freunde würde dich als depressiv bezeichnen. Oder als gestört. Nur ein wenig seltsam. Du lachst viel über komische Sachen, benimmst dich ein bisschen kindisch, manchmal. Aber ansonsten bist du voll in Ordnung.
Wenn die wüssten.
Welcher normaler Mensch würde schon über Narbengewebe nachdenken, mitten im Unterricht? Mit dem Finger nachdenklich über die Augenbrauen fahren. Nach einer Narbe dort suchen. Dort würdest du gerne eine haben. Du findest diese Dinger faszinierend. Aber nein, das würde wirklich niemand verstehen. Das verstehst du doch selbst kaum. Außerdem sind das ja sowieso nur irgendwelche Gedanken, die dir gekommen sind, weil du gedanklich abgedriftet bist. Nicht mehr. Kein Grund zur Beunruhigung.

Du findest dich vor dem Spiegel wieder, die Schere halb erhoben. Halt. Du erstarrst.
Was... was machst du hier? Du stehst in deinem Zimmer. Eben erst hast du mit eben jener Schere etwas geschnitten. Du besiehst sie genauer. Groß. Scharf. Gefährlich.
Auf einmal hast du Angst. Angst vor dir selbst. Angst vor deinen Gedanken. Angst vor den Fingern, die die Schere nun langsam herheben, an dein Auge heranführen, noch ein Stückchen höher. Du siehst in deine eigenen, aufgerissenen Augen, und spürst das Metall sachte an deiner Haut kratzen. Einmal hinunter.
Es ist, als würdest du aus einer Trance erwachen. Du wirfst die Schere schnell in eine andere Ecke des Zimmers. Stehst vor dem Spiegel und keuchst. Obwohl du nichts gemacht hast, als hier gestanden. Siehst dir selbst ins Gesicht. Nichts ist da. Keine Wunde, rein riss, nicht einmal aufgekratzte Haut.
War das eben überhaupt real? Nein, das kannst du nicht glauben. Kannst nicht glauben, dass du das eben wirklich im Sinn hattest.
Doch das eine Gefühl in dir ist geblieben. Die Angst. Du Siehst dir in die Augen. Sie starren dich aus dem Spiegel her an, als würden sie dich anschreien wollen. „Natürlich hast du das eben getan, du Irre! Hör auf mit dem Scheiß! Hol dich ENDLICH Hilfe!“
„Nein. Hör auf damit. Lass das. Bitte. Lass es!“
Du wendest dich ab, gehst davon. Irgendwo hin, wo der Rest deiner Familie ist. Wo du dir nichts tun kannst.

Ein einziger, tiefer Schnitt. Das Metall mitten in der Stirn. Du zuckst vor Schmerz zusammen, ziehst die Schere ein bisschen weiter durch die empfindliche Haut. Das Auge bleibst unversehrt. Was für ein Glück. Aber trotzdem.
Du kannst dich nicht stoppen, kannst nicht aufhören, kannst nur zusehen, als deine Handsich ein zweites mal hebt und die Klinge in die Haut bohrt, und zieht. Blut tropft. Du siehst kaum etwas. Schmerzen schleiern dich ein. Die Schere fällt zu Boden. Du zitterst. Stehst da und zitterst. Starrst. Starrst auf dein eigenes, blutiges Gesicht.
Und dann endlich kannst du schreien.
Schreien, ganz laut. Eine Befreiung. Endlich.
Du gehst in die Knie, hörst, wie deine Familie zu dir stürzen, doch kannst du nichts sehen, den die Tränen und das Blut verschleiern dein Gesicht. Alles was du tun kannst ist zittern und schluchzen.
Und andererseits fühlst du dich schrecklich. Weil du dich befreit fühlst.
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