Happy End?
In einer Ecke, da hockte der Kleine. Schon lange war kein Schein mehr in seinen orangeroten Augen zu sehen gewesen. Selbst das einst so prächtige Fell hatte seinen Glanz verloren. Es war verstrubbelt und hing lasch an seinem ausgemagertem Körper hinunter. Celiop fror ganz erbärmlich in seiner Ecke, doch die letzte Decke hatte er aus versehen verbrannt. Darauf hatten die Großen beschlossen ihm keine mehr zu geben. Aber es war doch so kalt hier drinnen. In der aus Stein gefliesten Ecke, in die kein Licht fiel Selbst wenn das Feuer im Kamin brannte, war es kalt hier. Aber nun brannte es nicht. Celiop schloss die Augen und dachte an die Tage, die vielleicht besser gewesen waren.
Damals hatte dieses große Haus hier noch jemandem anderem gehört. Zu gerne erinnerte er Celiop sich an die Große, mit ihrer schnurrenden Stimme und den warmen Händen. Celiop war gerne zu ihr ins Bett gekrochen und ihren Bauch gewärmt. Um sie dann am nächsten Morgen mit einer nassen Schnauze zu wecken. Und an kalten Tagen, wenn draußen das Weiße vom Himmel fiel, dann hatten sie sich vor den Kamin gesetzt, den Celiop angezündet hatte und die Alte hatte Geschichten erzählt. Und dann hatte sie nicht mehr darauf reagiert, wenn Celiop sie hatte aufwecken wollen. Sie war kalt geworden, ganz arg kalt. Und Celiop hatte versucht sie zu wärmen. Selbst das Feuer, dass er aus lauter Hilflosigkeit angezündet hatte, hatte nicht geholfen. Im Gegenteil. Mit einem Mal hatten ganz viele Leute das Haus betreten und das Feuer wieder ausgemacht. Und sie hatten ihn einfach zur Seite gesetzt, als er versucht hatte, sie von der Alten fernzuhalten. Seitdem hatte der Große zwar Brandnarben an den Händen, doch geholfen hatte es Celiop nichts. So war er dann hinter ihnen hergerannt, als sie die Alte weggetragen hatten. Und schließlich hatten sie sie nach einigen Tagen in ein Loch gelegt, und Erde auf die drauf geschüttet.
„DAS KÖNNT IHR DOCH NICHT MACHEN!“, hatte Celiop sie angeschrieen, doch sie hatten nicht zugehört. Celiop war zu dem Erdhaufen hin, als alle weg waren, und hatte versucht, sie wieder frei zugraben, bis jemand gekommen war und ihn weggezogen hatte. Zwar hatte er es geschafft, sich wieder los zureißen, doch ein schwerer Stein war auf die Erde gelegt worden, so dass er nicht mehr versuchten konnte, sie wieder auszugraben. Nächtelang bliebt er auf dem Stein, der so bitterkalt gewesen war, wie seine Ecke das nun war. Doch er hatte nicht weg wollen, hatte sich und den Stein mit seinem Feuer gewärmt. Celiop hatte geweint und gejammert und die Großen verflucht. Aber nichts hatte genutzt und nichts hatte dafür gesorgt, dass man den Stein wegnahm und die Alte wieder rausholte und sie weckte und aufwärmte. Ihr musste doch viel, viel kälter sein als Celiop, da unten mit der ganzen Erde über dem Körper. Ein Schleier aus grauem Nebel hatte sich über seinen Blick und sein Gedächtnis gelegt.
Er war in dem bekannten Haus wieder aufgewacht mit fremden Gerüchen in der Nase und fremden Stimmen in den Ohren. Mit einem mal war nichts mehr so gewesen, wie früher: Er wurde aus dem Bett geworfen, wenn er sich dazukuscheln wollte, wurde angeschrieen, wenn er morgens versuchte die Großen freundlich zu wecken. Er wurde lange Zeit allein gelassen mit sich selbst und der Kälte, die sich im Haus weiter ausbreitete.
Celiop war von den Großen, die nun hier wohnten vergessen worden. Nur wenn sie einmal ein Feuer brauchten, dann wurde er aus seiner Ecke geholt. Und nur selten war es der Fall, dass er sich vor den Kamin legen und dösen durfte. Inzwischen wurde er praktisch gar nicht mehr gebraucht. Die Großen waren so selten da, dass sie sich auch in ihren Betten wärmen konnten.
Celiop blinzelte. Da war ein kalter Windstoß in sein Fell gefahren und ließ ihn noch mehr zittern. Müde hob er die Schnauze und sah sich um, Niemand war da, und doch zog es ganz fürchterlich. Das kleine Geschöpf rappelte sich auf die Beine um zu sehen, was da los war. Irgendein Fenster schien offen zu stehen Celiop setzte sich vor die Wand und sah mit schiefgelegtem Kopf nach oben. Obwohl er wusste, dass es ihm verboten war, spannte er die Hinterläufe an und sprang auf die Fensterbank. Es zeigte ihm, dass er nicht ganz so fitt war wie früher, als er es beinahe nicht erreichte. Mit den Krallen hielt er sich am Holz fest und zog sich nach oben. Das würde Konsequenzen geben, war ihm klar, als er die Krallen wieder aus dem Holz zog und die Kerben darin betrachtete. Sein Blick wanderte von dort kurz in das ihm inzwischen fremd gewordene Zimmer. Ein weiterer Windstoß aus dem offenem Fenster zog jedoch Celiops ungeteilte Aufmerksamkeit an die Welt draußen auf sich. Er hatte das Haus nie wirklich verlassen, immer nur drinnen gewesen. Das weiße Zeug, das jetzt den Boden bedeckte war ihm fremd. Er hatte es immer nur von innen gesehen, schläfrig eingerollt vor dem warmen Kamin und auf die Stimme der Alten lauschend.
Jetzt, wo er vor dem Fenster saß, spürte er die klirrende Kälte, die wohl vom Weißem ausging. Ganz flach legte er sich auf den Bauch und kroch nach vorne, bis er die Schnauze aus dem oberem Fenster halten konnte. Es roch komisch. Konnte etwas kalt riechen? Aber obwohl es da draußen so kalt war, zog es ihn irgendwie an. Er sah sich nicht noch einmal um, sondern stemmte sich wieder auf die Füße, nahm maß und sprang.
Er hatte sich verschätzt. Nein, nicht wirklich. Der Boden gab nach! Er fiel einfach durch, verlor sein Gleichgewicht, purzelte, bis es endlich vorbei war. Celiop stemmte sich wieder auf die Pfoten und schüttelte das weiße Zeug aus dem Fell. Sein Blick wanderte die weiße Wand vor sich nach oben, wo er den Himmel sehen konnte. Ganz weit über sich., durch das loch, das er wohl verursacht hatte. Wie sollte er denn da nach oben kommen? Er tastete mit der Pfote nach der Wand vor sich, die ein wenig nachgab. Neugierig stupste er mit der Schnauze in das Weiße und zuckte zurück. Verdammt, war das kalt! Er dachte nach. Und begann damit, sich durch das Weiße zu wühlen. Irgendwie klappte das sogar, sodass er sich einen Tunnel bauen konnte. Hin und wieder brach dieser zwar hinter und über ihm ein, doch er schaffte es immer, sich wieder frei zu wühlen und weiter zu graben. Welch ein Glück, dass das weiße Zeug so locker aufeinander lag. Zwar war es hier unten kalt und nass, doch war ihm lange nicht so kalt, wie im Haus. Hier grub er, und bewegte sich, und hatte etwas zu tun. Etwas, dass ihm sogar SPAß machte. Aber irgendwann war er durch.
Der Kopf mit dem nass angeklebtem Fell stieß durch das weiße Zeug und sah nach draußen. Ein ganz kleine Funkeln war in seinen Augen zu sehen, während er den Körper ebenfalls aus dem weißem Zeug befreite und sich schüttelte, um den Rest aus dem Fell zu bekommen.
Von hier aus konnte er sein Haus nicht mehr sehen, dafür ganz, ganz viele Bäume, die anscheinend dafür sorgten, dass das Weiße nicht bis hier runter kam. Noch einmal schüttelte er sich, ein paar kleine Flammen schmolzen den endgültigen Rest das weißen Zeugs aus seinem Fell, dann setzte er sich in Bewegung, weiter in den Wald hinein.
Langsam kam die Erschöpfung wieder, ihm war klar, dass er Hunger hatte. Aber zurück? Nein. Ganz, ganz sicher würde er nicht wieder zurückgehen. Hier war es so viel interessanter! Celiop tappte weiter und weiter, doch bald schon konnte er das Knurren seines Magens nicht mehr ignorieren. Er sah sich um, doch keine Schüssel mit Futter stand bereit und wartete darauf, dass er seine Nase hineinsteckte. Beleidigt setzte Celiop sich auf die Hinterpfoten und begann damit, seine Umwelt zu verfluchen. Nie konnte sie ihm etwas gutes tun. Gemein war das, so total gemein!
Aber auch das half dem Kleinen nicht weiter, so hörte er irgendwann auf damit, kauerte sich hin und wimmerte leise. Als dann auch noch die Sonne verschwand, wurde es bitterkalt um ihn herum. Und das Feuer kam auch nicht, um ihn zu wärmen. So lag Celiop zitternd und wimmernd auf dem Waldboden und wusste nicht mehr weiter. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass es hier nicht völlig dunkel war. Direkt vor sich hatte er einen warmen Lichtschein bemerkt.
Erneut schaffte Celiop es, sich auf die Pfoten zu rappeln. Langsam tappte er weiter nach vorne, auf das Licht zu. Ein Haus war es. Aus dem Fenster flackerte der Schein eines großen Feuers. Zum springen hatte er zwar keine Kraft mehr, doch schaffte er es, sich an den Holzwänden hochzuziehen und auf die Äußere Fensterbank zu klettern. Oh, wie sah es dort drinnen gemütlich aus! Beinahe erinnerte ihn der Raum, den er sah an das Schlafzimmer der Alten, nur war es hier ... viel voller und... total gemütlich. Am liebsten wäre er dort hineingehüpft, hätte es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht und geschlafen. Aber die Scheibe hinderte ihn daran. Unglücklich kratzte Celiop an ihr, bevor er aufgab und sich ganz eng daran kuschelte, um wenigstens ein bisschen was von der Wärme abzubekommen.
Im Halbschlaf nur bemerkte er wie die Tür des Hauses sich öffnete und ein Schatten über ihn fiel. Vor Kälte und Hunger störte es ihn gar nicht, dass zwei Hände ihn packten und weghoben. Wahrscheinlich würden sie ihn wieder in seine kalte Ecke bringen. Dort gab es wenigstens etwas zu essen.
Es wurde warm, und jemand legte ihn auf etwas weichem ab, in das er sich ganz fest kuschelte, bevor er entgültig einschlief.
Ein leckerer Geruch weckte ihn wieder auf. Verschlafen hob er den Kopf und sah sich um, Wo zur Hölle war er denn hier gelandet? Das sah so aus, wie das Zimmer von gestern Nacht. Er hob den Kopf ein bisschen mehr und sah jemanden an einem Tisch sitzen. Der Rücken war ihm zugewandt, sodass er nicht sehen konnte, was der Große dort tat. Celiop rappelte sich auf und sprang leise vom Sofa herunter. Es roch hier so wunderbar nach etwas zu Essen! Beinahe konnte er seinen Magen wieder knurren hören. Der Kleine trippelte unter dem Tisch hindurch. Auf der anderen Seite nahm er Maß und sprang nach oben. Die Große schien überrascht zu sein, Celiop auf dem Tisch zu sehen. Einige Sekunden lang war er sicher, die Große würde sauer werden und ihn wieder wegjagen. Er machte sich ganz klein und ging einige Schritte zurück, sodass er beinahe wieder von der Kante hinuntergepurzelt wäre. Da sah er ein Lächeln im Gesicht der Großen und entspannte sich wieder ein wenig.
„Na, bist du was Kleines?“, fragte die Große mit sanfter Stimme und schob Celiop eine Schüssel mit wunderbar duftendem Inhalt hin. Die Große im Blick behaltend, schlich er auf die Schüssel zu und schnupperte. Die Große schien keine Astalten zu machen, ihm die Schüssel wieder zu entziehen, weswegen er vorsichtig die Schnauze hineinsteckte und probierte. Er vergaß seinen Argwohn und die Große und überhaupt alles um zu herum, so Gut schmeckte das. Er schleckte das was für ihm zu Essen war. Mit einem Ohr hörte er die Große lachen und selbst wieder zu essen beginnen.
Ja, beschloss Celiop, hier würde es sich leben lassen.
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Ich habe mir den kleinen als eine Art... Katze vorgestellt, die halt Feuer beherrschen kann. Und süß und flauschig ist